Eurostar-Thalys-Fusion:
Warum die Preise auf Köln – Brüssel und Köln – Paris gefühlt doppelt so hoch sind
1. Was in drei Jahren passiert ist
Projekt „Green Speed“ & EU-Freigabe (2019 – 2022): Eurostar und Thalys kündigen den Zusammenschluss an.
1. Oktober 2023: Die Marke Thalys verschwindet, alle roten Züge heißen jetzt Eurostar, Buchungs- und Vielfahrersysteme werden zusammengelegt. brusselstimes.com
2024: Die neue Eurostar Group meldet 19,5 Mio. Fahrgäste und gut 2 Mrd. € Umsatz – der beste Wert ihrer Geschichte. mediacentre.eurostar.com
Mit der Fusion besitzt ein einziges Unternehmen praktisch alle Hochgeschwindigkeitssitze zwischen Köln, Brüssel, Paris, Amsterdam und London – eine Marktmacht, die selbst Branchenverbände schon 2021 vor steigenden Preisen warnen ließ.
2. „Ab-Preis“ bleibt, Verfügbarkeit schrumpft
Vor der Fusion (Sommer 2019): Standard Mini-Tickets gab es Köln – Brüssel ab 19 €, Köln – Paris ab 35 €. rail.cc
Heute (Eurostar-Webseite): Das Marketing wirbt weiterhin mit „ab 19 €“ zwischen Köln und Brüssel eurostar.com und „ab 41 $“ (≈ 38 €) zwischen Köln und Paris. eurostar.com
Realität bei Stichproben im Juni 2025: Vier bis acht Wochen vor Abfahrt kosteten die meisten Köln–Brüssel-Fahrten 60 – 85 €, Köln–Paris 110 – 140 €. *
Last-Minute (≤ 14 Tage): Preise klettern häufig über 100 € bzw. 200 €.
* Eigene Preisabfragen über Trainline; alle Angaben ohne Gewähr.
3. Hauptgründe für den Preissprung
Monopolstellung: Nach der Fusion gibt es auf beiden NRW-Strecken keine echte Hochgeschwindigkeitskonkurrenz mehr. brusselstimes.com
Algorithmisches Yield-Management: Seit 2024 setzt Eurostar Software von Wiremind ein; günstige Kontingente werden damit noch feiner dosiert und rascher vergriffen.
Abgeschaffte Sparprodukte: Der langsame IZY (Paris – Brüssel) und Thalys-Happy-Hour sind Geschichte – damit fehlt der frühere „Preisanker“.
Gestiegene Kosten: Energiepreise, Pandemieschulden und die Finanzierung neuer Züge schlagen auf die Tarifleiter durch.
Grenz- und Terminal-Engpässe: Zwar ohne Passkontrolle zwischen Köln und Brüssel/Paris, doch der Konzern muss Kapazitäten konzernweit optimieren, wodurch weniger Sitzplätze in Sparklassen bleiben.
4. Externe Belege für steigende Durchschnittspreise
Die britische Werbeaufsicht ASA untersagte Eurostar bereits mehrfach, mit kaum verfügbaren „39 £-Tickets“ zu werben, weil sie nur einen winzigen Anteil der Plätze betrafen. theguardian.com
Laut einem Ranking von Transport & Environment verlangt Eurostar heute fast das Doppelte des europäischen Durchschnittskilometerpreises – ohne bessere Servicequalität zu bieten. transportenvironment.org
5. Kommt Konkurrenz – und damit Entlastung?
FS Group / Evolyn: Italienische Staatsbahn und spanischer Partner wollen 2029 London – Paris starten, 1 Mrd. € sind veranschlagt. railtech.comft.com
Virgin Group: Sammelt 700 Mio. £ für eine eigene Tunnelverbindung, ebenfalls mit 2029 als Zieljahr. railtech.com
Eurostar selbst: Bestellt neue Züge, die die Sitzplatzkapazität bis Anfang der 2030er um 50 % erhöhen sollen. thetimes.co.uk
Mehr Wettbewerb und mehr Wagenkapazität sind traditionell die effektivste Bremse für Preise – doch vor 2029 wird davon kaum etwas auf deutschen Strecken ankommen.
6. Sechs Spartipps für Reisende
180-Tage-Regel: Eurostar lädt Köln-Brüssel/Paris-Verbindungen rund sechs Monate vor Abfahrt ins System; die 19 €- und 35 €-Slots sind oft binnen Stunden weg.
Flexible Deals beobachten: Eurostar Snap oder Restplätze unter der Woche können Preise um 40–50 % drücken. eurostar.com
Split-Ticket Köln–Aachen–Brüssel: ICE bis Aachen (Saver Fare ab 21,99 €) int.bahn.de + Eurostar weiter nach Brüssel ist häufig billiger als das Durchticket.
Ausweichroute via Mannheim–Straßburg: Zum Teil ab 59 € nach Paris – rechnet sich, wenn die Direktverbindung teuer ist.
Ruhige Tage wählen: Dienstag, Mittwoch und Samstagnachmittag zeigen oft die niedrigsten Algorithmenpreise.
Newsletter & Gutscheine nutzen: Seltene Flash-Sales halten meist nur wenige Stunden, daher Preisalarme setzen.
7. Fazit
Für Vielfahrende zwischen NRW, Belgien und Frankreich hat sich der Medianpreis seit 2019 etwa verdoppelt. Die offiziellen „Ab-Preise“ wirken wie vertraute Reklame, doch sie stehen nur noch in homöopathischen Kontingenten zur Verfügung. Bis neue Betreiber oder eine größere Eurostar-Flotte auf die Schiene kommen, hilft vor allem: sehr früh buchen, flexibel bleiben und gelegentlich umsteigen.